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Maike Gräf

Skulpturen - Maike Gräf

Maike Gräf
Biografie

1976 in Müllheim/Baden geboren
2000 – 2003 Studium der Bildhauerei
lebt und arbeitet in Berlin.

Ausstellungen

2015 Art Karlsruhe, Galerie Albrecht, Berlin und Stern-Wywiol Galerie, Hamburg
2014 Art Intern. Zürich, Galerie Albrecht, Berlin
2014 Art Market Budapest, Galerie Albrecht, Berlin
2014 Art Karlsruhe, Skulpturenplatz, Galerie Albrecht, Berlin und Stern-Wywiol Galerie, Hamburg (Kat.)
2013 Weder Schwarz noch Weiß. Stern-Wywiol Galerie, Hamburg (Kat.) 
2012 Galerie Albrecht, Berlin
2012 Art Basel, The Solo Project, Galerie Albrecht, Berlin (Kat.)
2012 Art Paris, Galerie Albrecht, Berlin (Kat.)
2012 Art Karlsruhe, Galerie Albrecht, Berlin (Kat.)
2011 KIAF, Seoul/Korea (Kat.)
2010 SWR Studio, Freiburg 
2009 Skulpturriles. Galerie Werft11, Köln
2008 Galerie artISCHOCKE, Lörrach
2007 Kunsthalle Kleinschönach, Herdwangen
2007 Contemporary Art Ruhr, Essen (Kat.)
2006 Galerie ICON, Berlin
2006 Kunstkoje. Galerie artISCHOCKE Lörrach, Art Basel
2004 Galerie artISCHOCKE, Lörrach (Kat.)


Ausstellungsbeteiligungen
 
2016 Provokative Expression. Haus der Modernen Kunst, Staufen-Grunern
2015 Auf dem Holzweg. Stern-Wywiol Galerie, Hamburg
2015 NGORONGORO. Berlin
2014 Haus der modernen Kunst, Staufen-Grunern
2013 The Legend of the Shelves. Autocenter, Berlin (Kat.)
2012 Paradise City. Autocenter, Berlin (Kat.)
2012 NordArt 2012. Kunstwerk Carlshütte (Kat.)
2011 European Contemporary Art. O’s Gallery, Seoul/Südkorea
2011 36 girls. Kosmetiksalon Babette, Berlin
2011 HotSpot. Georg-Kolbe-Museum, Berlin (Kat.)
2011 Metakom, Raumordnung e.V., Krefeld (Kat.)
2011 Wonderloch Kellerland, Berlin
2010 1. Akt. Vittorio Manalese, Berlin (Kat.)
2010 Night of the Pawn. Baumwollspinnerei, Leipzig (Kat.)
2008 Fusionen. Haus der modernen Kunst, Staufen-Grunern (Kat.)


 
 
 
Maike Gräf

Preise
Auszeichnungen

2013 1. Preis Church of Phonk, Berlin
2009 Kunstpreis. Sparkasse Markgräflerland
2005 1. Preis Intern. Bildhauersymposium, St. Blasien
2004 Jugendkulturpreis. Sparkasse Markgräflerland

Projekte im öffentlichen Raum

2015 Schöpferstelle, Pasing by, München (Kat.)
2013 Berlin Festival 2013, Berlin
2011 Homunkulus. Literaturhaus Berlin, Berlin
2011 Friedliches Kriegsspielzeug, Skulpturenpark Augustiana, Dänemark
2007 Kunst im öffentlichen Raum. Stiftung Sparkasse, Müllheim/Baden
2006 Kunst im öffentlichen Raum. Sparkasse, Lörrach
2006 randen ARTour. Schaffhausen/Schweiz

Maike Gräf – Spurenlesung im Material 

Maike Gräfs figurative Holzskulpturen sind im Spektrum aktueller Kunst gänzlich einzigartig. In ihnen verbindet sich ein sehr gegenwärtiges, von Reflexen auf die Zeichenwelt des Comics, der Street-Art und Computerspielen unterlegtes Menschenbild mit einem uralten künstlerischen Handwerk. Bei der Begegnung mit den Werken der jungen Künstlerin sind nicht nur die von Sexualität, Geburt und Tod beherrschten Themen relevant. Ebenso spielen die historisch komplexe Ikonographie des Werkstoffes und die Besonderheiten seiner Bearbeitung eine Rolle. Im Verlauf nur weniger Jahre seit ihrer Ausbildung als Holzbildhauerin von 2000 bis 2003 hat Maike Gräf mit beachtlicher Virtuosität eine unverwechselbare künstlerische Handschrift entwickelt, die die im Material eingeschriebene Tradition ganz bewusst neu verhandelt. 
Maike Gräfs wuchtige, in prismatischen Flächen und Kanten zergliederte Gestalten werden stets aus einem einzigen Stammsegment herausgeschnitten. Die Künstlerin verwendet dazu am Beginn eine Kettensäge, gefolgt von Stechbeitel und Hammer. In den letzten Arbeitsschritten kommen Messer und bei runden Partien zum Teil auch Schleifpapiere zum Einsatz. Am Ende steht eine kräftig deckende farbige Fassung, unter der die Stofflichkeit des Holzes bzw. die Spuren seiner Bearbeitung jedoch nie ganz verschwindet. Bei den neueren Arbeiten tendiert die Künstlerin dazu, einzelne Partien unbehandelt zu lassen. Auch wird dabei die Farbe weniger deckend, manchmal eher im Sinne einer Lasur aufgetragen, was insbesondere bei einer Serie von Reliefs zu einer interessanten Spannung zwischen Malgrund und Malträger führt. Bei den freiplastischen Skulpturen wirkt der Kontrast zwischen den bemalten und unbehandelten Partien, der selten scharf gesetzt ist, sondern größtenteils faserig 
ineinander übergeht, mitunter wie ein Abrieb, der im Sinne einer Patina dem Werk ein künstliches Alter verleiht. 
Das Material Holz hat im Kunstkontext eine spezielle Geschichte, die in Europa insbesondere mit seiner Verwendung bei christlichen Altären und Kruzifixen verbunden ist und zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch die Rezeption außereuropäischer Stammeskunst in der Kunst der Moderne eine ganz neue Richtung erhielt. Die künstlerische Auseinandersetzung mit der so genannten „primitiven“ Formenwelt von afrikanischen Fetischen und indianischen Totems vollzog sich hierzulande vor allem im Kreis der Brücke-Künstler, wobei die Maler dazu tendierten, ihre plastischen Werke mit einer farbigen Fassung zu überziehen. Maike Gräfs Arbeiten rufen diese Tradition der bemalten expressionistischen Skulptur wieder wach. Doch geht es ihr nicht um eine Anverwandlung an das Fremde, wie es den Künstler der Klassischen Moderne in Folge der damaligen Kolonialbewegung begegnete. Maike Gräf schöpft ihre Motive aus dem synkretistischen Fundus unserer zeitgenössischen Populärkultur. Die von ihr behandelten Motive von Körperlichkeit und Triebhaftigkeit befinden sich nicht an der kulturellen Peripherie, sondern sind mittlerweile ins Zentrum des kollektiven Bewusstseins gewandert. Neu und ungewöhnlich bleibt dabei die Einspeisung dieser Themen in den Werkstoff Holz durch die spezifische Form seiner Bearbeitung. 
Maike Gräfs Arbeiten entstehen frei, ohne Vorzeichnungen, jedoch mit einem klaren inneren Bild, das sich gegenüber der Widerständigkeit des Werkstoffs behaupten muss und sich darin erst entfaltet. Die Proportion und Haltung der Figuren werden durch das Volumen des Stammes vorgegeben. Während der Arbeit manifestieren sich erst die weiteren Details. In der generellen Anlage ist Maike Gräf jedoch eine Künstlerin, der es nicht darum geht, den inneren Bedingungen des Materials zu 
gehorchen. Ihre Figuren wirken nicht, als ob sie schon immer im Stamm verborgen waren, sondern sie ringt ihm letztlich von außen eine Form ab. Die Artifizialität des künstlerischen Zugriffs, der in der farbigen Fassung noch eine Zuspitzung erfährt, steht im klaren Kontrast zur Tradition der „Materialgerechtigkeit“ wie er sich vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg im Zuge der Arts-and-Crafts-Bewegung herausbildete und unter anderem das Zurschaustellen der Maserung oder anderer sichtbarer Strukturen des Gewachsenen beinhaltete. 
Nachdem traditionelle bildnerische Werkstoffe, zu denen neben Holz auch beispielsweise Bronze, Marmor und Ton zu zählen sind, in den 1960er bis 1970er Jahren einem Generalverdacht des Altvorderen unterlagen, wandten sich die Künstler ab den 1980er Jahren wieder verstärkt überlieferten Techniken zu. Die Rehabilitation der Holzskulptur setzte unter anderem mit Georg Baselitz’ Beitrag für die Biennale in Venedig 1980 ein, bei dem er mit einer grob behauenen und teilweise bemalten Figur, „Modell für eine Skulptur“, international reüssierte. Mit Baselitz und etwas später auch Stephan Balkenhols aus dem kompletten Stamm geschnitzten Figuren wurde die Spannung zwischen dem organischen Material und seiner Präsenz als geformtes Artefakt in besonderer Weise bloß gelegt. Maike Gräfs Verhältnis zum Holz erscheint distanzierter, auch wenn sich ihr formales Repertoire in ähnlicher Weise aus der rohen Natürlichkeit des Werkstoffs entwickelt hat. Holz ist wegen seiner biologischen Herkunft nur bedingt haltbar und als plastisches Material generell für den Außenraum nicht geeignet. Es bedarf eines überdachten und möglichst konstant klimatisierten Raums, um die Einflüsse der Witterung und von tierischen Schädlingen zu minimieren. Holz reagiert empfindlich auf Schwankungen der Luftfeuchtigkeit und „arbeitet“, selbst im ausgetrocknetem Zustand, in Form von Ausdehnung und Zusammenziehung weiter, was zu Rissen und Spaltungen führen kann. Durch den Einsatz von Lacken und Holzschutzmitteln lassen sich diese 
Aspekte minimieren, doch bleibt beim Holz der Aspekt seiner Vergänglichkeit als ursprünglicher Teil einer Pflanze gegenwärtig. Maike Gräf nimmt diese anhaltende „Lebendigkeit“ des Materials in ihren Skulpturen auf. Eventuell auftretende Risse und Spalten fügen sich schwellenlos in das plastische Vokabular ein. Im Verlauf des letzten Jahres hat sich Maike Gräfs Werk zu freieren, zum Teil gänzlich abstrakten Figuren weiter entwickelt. Es sind Gebilde entstanden, die mit komplexen Verdrehungen und Unterschnitten in das Material hineingearbeitet wurden und dadurch stärker gleichsam von innen her gewachsen scheinen. 
Für die Renaissance der Holzskulptur stehen auch die um 1989 von Jeff Koons in Oberammergau in Auftrag gegebenen bemalten Arbeiten, die ihn beim Geschlechtsakt mit seiner damaligen Ehefrau, der italienischen Pornodarstellerin Iloner Staller, genannt „Cicciolina“, zeigten und die im Medium der Konzeptkunst das Milieu traditionsgebundener „Herrgottsschnitzerei“ mit dem vulgären Glamour künstlerischer Selbstinszenierung in Szene setzten. Einen verwandten Ansatz bei der Verbindung scheinbarer Gegensätze verfolgte der belgische Künstler Wim Delvoye mit einer Serie im 1:1 Format geschnitzten Zementmischern aus Teak-Holz, die in den 1990er Jahren von indonesischen Auftragskünstlern mit floralen Ornamenten verziert wurden. Während Koons das Heilige mit dem Profanen zur Deckung bringt, setzt Delvoye auf eine Verschmelzung des hässlich Funktionalen mit dem in mühevollster Handarbeit Gestalteten. 
Auch Maike Gräf reizt in ihren Arbeiten die Spannung zwischen materiellen Konnotationen und der inhaltlichen Ebene ihrer Figuren aus. Besonders ihr „hölzernes“, archaisches Formenvokabular, das im Motiv von skurrilen Skelettwesen seit etwa vier Jahren im Werk der Künstlerin durchdekliniert wird, ist voll und ganz materialgebunden. Die kubistisch wirkende Facettierung der Körper, die Maike Gräf 
schon bei ihrem frühen Arbeiten verfolgte, mündete bei der Knöchrigkeit der neueren Figuren in der fundamentalen Analogie zum Holz als das von der Rinde befreite „knöcherne“ Stützwerk des Baumes. Das von dieser Analogie motivierte plastische Denken bringt keine Skelette im anatomischen Sinne hervor, sondern organisch gestimmte Wesen, die mit betont fleischlichen Attributen wie Pobacken, Bauchnabel, Brüsten, Penissen, Lippen oder Zungen ausgestattet sind. Ihre Existenz als Gerippe beweist sich den Betrachtern zum Einen über die weiß-schwarze Farbigkeit und zum Anderen über die Härte bzw. das Wesen des Werkstoffes. Der Aberglaube verlangt, auf Holz zu klopfen, um Unbill abzuwenden oder eine Hoffnung zu bekräftigen. Falls kein Baum oder ein entsprechendes Möbel in Reichweite ist, nimmt man dazu den eigenen Schädel. Maike Gräfs skulpturale Durchdringung des Holzes ist auch eine Reise in den eigenen Körper und seiner von Muskeln, Fetten und Flüssigkeiten abgestreiften Wirklichkeit. Was nach dem Tod bleibt, sind unsere Knochen, genauso wie das Holz nach dem Fällen des Baumes. 
Auf der Basis dieser kreatürlichen Analogie hat Maike Gräf 2013 die bislang größte Skulptur ihres Werks in Angriff genommen. Es handelt sich dabei um eine kolossale Gruppe, die das Daphne-Thema aus Ovids „Metamorphosen“ bearbeitet. Es ist eine Geschichte der Verwandlung im Moment des Begehrens: Der durch Eros Pfeil liebestolle Gott Apoll verfolgt die Nymphe, die sich daraufhin aus Schutz in einen Lorbeerbaum verwandelt. Sexualität, Tod und Geburt verschränken sich in dieser Geschichte zu einem berückenden Komplex, der seit Jahrhunderten vor allem Bildhauer zur Darstellung inspiriert, so etwa in der wohl berühmtesten Fassung von Gian Lorenzo Bernini von 1622-25 in der Villa Borghese in Rom. Für die Holzskulptur ist das Thema eine besondere Herausforderung, da es um die Rückführung einer Gestalt in das eigene Material geht. Maike Gräf zeigt es in Form von zwei ineinander verschlungenen Figuren, die an einen gewaltsamen Liebesakt denken lassen. 
Daphne weicht der Umklammerung Apolls durch eine Beugung ihres Körpers nach unten aus. Ihre Arme haben Kontakt zur Erde und beginnen sich von dort aus im Sinne eines Wachstumsmotivs in einen Baum zu verwandeln. Der Rohzustand des Stammes, aus dem die Skulptur herausgeschnitten wurde, markiert in sinnstiftender Weise die Natur dieser Umformung. Auch wenn hier ein klassisches Thema bearbeitet wurde, ist daran nichts Gestriges zu bemerken. Nicht zuletzt in diesem Werk beweist sich Maike Gräf als äußerst materialsensible Künstlerin, der es gelingt, in ihrer wuchtigen, archaischen Formensprache Vergangenheit und Gegenwart wirksam zu verklammern. 
 
Marc Wellmann, 2013 
Erweiterte und überarbeitete Fassung des gleichnamigen Textes, der erstmals in der Monographie Maike Gräf – Skulptur, Berlin 2011 erschien.