Ausstellungsbeteiligungen (Auswahl)
1962 Geboren in Peine
1985/86 Auslandaufenthalt in Hongkong
1987 Auslandsaufenthalt in Peru
1987-95 Studium freie Kunst , HbK Braunschweig bei
Prof. Johannes Brus, Prof. H.P. Zimmer, Prof. Thomas Virnich
1990 Auslandsaufenthalt in Neuseeland
1995 Diplom für freie Kunst
1996/98 Künstlerische Leitung der Glaswerkstatt der HbK Braunschweig
seit 2005 im Projekt „fifty-fifty“ Gemeinschaftsarbeiten
mit dem Maler Stewens Ragone
Annette Reichardt lebt und arbeitet in Köln
1960 in Ilsede/Niedersachsen geboren
1983-1989 Studium an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig bei
H.P. Zimmer, L. von Monkiewitsch
1989 Meisterschüler bei H.P. Zimmer
2002 Stipendium der Künstlerhäuser Worpswede
2003 Artist in residence vom Kunstverein Aschaffenburg; Katalogförderung der
IG Metall; Artist in residence beim Kunstverein Aschaffenburg
seit 2001 im Projekt „DOPPELPOP“ Gemeinschaftsarbeiten mit dem Bildhauer Michael Denkler
seit 2005 im Projekt „fifty-fifty“ Gemeinschaftsarbeiten
mit der Malerin Annette Reichardt
Stewens Ragone lebt und arbeitet in Köln
Steffen Simon, Sportjournalist, über die Gemeinschaftsarbeiten von Stewens Ragone und Annette Reichardt
Die Bilder von Annette Reichardt und Stewens Ragone sind keine schüchternen Mauerblümchen, die man dekorativ zwischen Hutablage und Kleiderbügel hängt. Diese Werke wollen Platz, sie sind selbstbewusste Kraftprotze, die mal polternd, mal schmeichelnd, auch mal zurückhaltend, aber fast immer mit Humor, Spaß und Leidenschaft daherkommen, die klar ansagen: „Schau her, ich bin ein Stück Kunst, ich werde Deine Sichtweise verändern“. Es treffen Dimensionen aufeinander, Raum, Zeit, soziale Aspekte und historische Bezüge. Die Arbeiten sind genauso konkret wie abstrakt, sie scheren sich einen Dreck um Konventionen und erlernte Sichtweisen, sie lassen ein Paralleluniversum entstehen. Motiv und Hintergrund sind zwei autonome Welten, gemeinsam ergeben sie eine neue dritte. Dies gibt uns als Betrachter immer etwas Konkretes, aber gleichzeitig auch Subtiles, das sich in unser Unterbewusstsein schleicht. Was wir daraus machen, ist uns überlassen.
Ina Bruchlos, Malerin und Schriftstellerin aus Hamburg
Bilder, die man versteht sind in der Regel nicht ganz so gut. Sie heißen: Weltuntergang oder Tsunami und man sieht einen Weltuntergang oder einen Tsunami. Hab ich verstanden, denke ich gelangweilt und frage mich, warum Künstler denken, sie könnten mir die Welt er- klären, wo ich sie doch bin, es sind letzten Endes auch keine Künstler, die das tun, auch wenn sie das glauben und sich verkannt fühlen, wo man sie gar nicht verkennen kann, wenn sie Tsunami neben das Bild schreiben. Lesen können wir alle. Ich denke an zwei Künstler, die zusammen arbeiten, was sie früher nicht taten. Nachdem ich die frühere Phase kannte, dachte ich natürlich sofort, ich erkenne sie in den Bildern wieder, der malerische Hintergrund oder das konkrete Motiv, Ragone dachte ich, aber Reichardt lächelt. Ganz so einfach war es eben doch nicht. Wo man gerade dachte, es handle sich um sehr einfache Bilder, wo man die Motive erkennen konnte, ganz leicht und dass das ja überhaupt die besten Bilder waren, bei denen man dachte: einfach – und nur die Seltsamen denken: Das kann meine kleine Tochter auch. Man dachte: einfach, ein Mann mit einem Gänseblümchenbart. Die Seltsamen denken: Na und? Dieses Bild hatte es mir besonders angetan: Ein Hipster mit Sonnenbrille und Gänseblümchenbart. Ich selbst habe einmal Gertrude Stein mit Hipsterbart gemalt, auch schön, aber die Gänseblümchen sind besser. Schade, dachte ich, dass mir damals die Blümchen nicht einfielen, und wa- rum dachte ich, fallen sie einem Typen wie Stewens ein, den man äußerlich nie mit diesem unsinnigen Motiv in Verbindung brächte, der etwas Seriöses ausstrahlt, ein Mann mit einem Beruf, ein Mann mit einer Aufgabe und nicht ein Mann mit Blümchen im Kopf, und ach, dachte ich, sind sie am Ende gar nicht von Stewens, sondern von Annette, die aber auch nicht nach Blümchen und Donalds mit Schubkarren aussieht. Aber wie sieht sie aus? Die Welt: Ein Rätsel. Zwei Künstler, dachte ich und schön, dass es so etwas noch gibt. Ich werde Tsunami neben sie schreiben. Der Witz an den einfachen Bildern ist jedenfalls die Tatsache, dass jeder meint, sie malen zu können: Die Ente, die draußen bleiben muss, ein Strickpüppchen in einer marsartigen Landschaft oder einfach ein Kind, das auf einem Krokodil reitet. Kann ich auch, rufen die Seltsamen, nur wir schütteln den Kopf. Es ist ja ohnehin seltsam, dass Menschen meinen, das zu können, was sie im Grunde verachten. Nie kämen sie auf die Idee, Rembrandt malen zu können, Vermeer oder van Gogh. Sie können immer nur das, was ihnen einfach und zu können überhaupt nicht erstrebenswert erscheint. Viel lieber könnten sie Friedrich und könnten doch nur Ragone oder Reichardt, denken sie, und liegen damit richtig daneben. Ich betrachte weiter den Hipster mit seinem Gänseblümchenbart und habe nicht die leiseste Ahnung, wer von beiden was von vielem gemalt hat. Ich betrachte das Bild und sehe nichts anderes. Schön ist es, wenn sich das Ego auflöst, als habe das Bild sich selbst gemalt. Schön ist es, wenn ich nicht weiß wer und warum wer das Warum gemalt hat. Es wäre langweilig, es zu wissen. Kein Mensch versteht, warum ein Kind auf einem Krokodil reitet. Der Titel hilft nicht, und auch wenn man denkt Titel helfen, helfen sie bei den guten Bildern nie. Friedrich nannte sein Bild Dresden und hat es doch nicht gemalt. Erst mal seh`n, was Quelle hat, heißt ein Bild aus der rheinländischen Malmanufaktur, und ich ahne, dass die Frau mit dem Fernglas den Horizont nicht nach verschollenen Kaufhäusern absucht. Schöne Bilder sind schwierig. Schöne Bilder sehen einfach aus. Schöne Bilder täuschen. Schönheit verwirrt und das Schöne daran ist das Schöne darin. Die Welt kann so einfach sein, denke ich, und ist es nie.