JOCHEN MEISTER ÜBER DIE ARBEITEN VON ENDY HUPPERICH
Zweierlei bieten uns die Bilder von Endy Hupperich gleich beim ersten Hinsehen. Da ist eine wilde, bewegte Ölmalerei – und da sind Motive aus Bereichen der menschlichen Zivilisation, die wir üblicherweise als trivial bezeichnen und die uns zumeist klischeehaft bekannt vorkommen.Die abgebildeten Dinge, meistens Figuren, sind aus dem Alltag gegriffen, und zwar aus seinen populären, pittoresken Zonen. Jeder kennt die Figürchen "made in China" die als Blechspielzeug weniger Kinder als erwachsene Sammler ansprechen. Aber auch die Holzfigur eines Räuchermännchens ist vertreten: "made in Germany". Daß weniger die Figuren selbst als vielmehr ihre Wiedergabe auf der jeweiligen Verpackung als Vorlage gedient hat, verstärkt einen comichaften Effekt, der sich mit der Wiedergabe "echter" Comic-Motive bei anderen Bildern trifft. Meistens sind die Figuren im für die Werbeabbildung bevorzugten Dreiviertelprofil gezeigt und füllen die großen Bildformate - werden also in einem absurden Gegensatz zu ihrer kleinen Spielzeugexistenz monumentalisiert.Eine Doppelbödigkeit zur Kritik, eine inhaltliche Deutung liegt den Bildern fern, nicht jedoch eine gute Portion Humor. Letzteren besitzen auch die lakonisch kommentierenden Bildtitel wie "Picante", wo ein deftiger Comicausschnitt "nur für Erwachsene" auf die skurrile Invasion der Außerirdischen trifft - ein fröhliches Beisammensein visueller Klischees, das funktioniert, ohne Doktor Freudbemühen zu müssen. Denn der Inhalt der Bilder ist ein malerischer. Aus einer Vielzahl gefundener Klischees arbeitet der Maler an einem ausgesuchten Motiv oder wie im letzten Fall an einer Kombination. Das ist nicht unbedingt ein Fall von motivischer Beliebigkeit, es ist eher die Art eines Sammlers, der sich momentan für diese und jene Stücke seiner Sammlung interessiert, sie dreht und wendet und betrachtet. Endy ist so ein Sammler.
Er sammelt Motive, die ihn auf unbeschreibliche, undefinierbare Art ansprechen. Und dann unterzieht er sie einem langen Prozeß: der Malerei.Noch während der Akademiezeit begann er, seine gestische Malerei mit Begriffen von Wörtern anzureichern. Noch ohne Gegenstand, erhielten die Gemälde trotzdem eine gegenständliche Komponente, die eine neue Sichtweise auf vorgeblich abstrakte Malerei bedingte. Der erlebte Kulturmix in Mexico forderte schließlich einen ähnlichen Formen-und Farbenreichtum in der malerischen Arbeit heraus, der sich nicht mehr der Welt der einfach-starken Alltagsbilder verschließen wollte. Nicht analytisch, sondern aus purer Lust am eigenen künstlerischen Vollzug des Klischees entstehen die Gemälde.Die bewegte Malerei, ihre Farbflächen, pastosen Übermalungen und dynamischen Verschwingungen trifft auf die Zeichnung, das Grafische, was dem trivialen Klischee meist zueigen ist. Ein Kontrast läßt sich in dieser Weise zuspitzen, aber auch abmildern-je nach Motiv " Star and Stripes" setzt einen Puppenkopf über helle Streifen, die das Bild durchziehen, und konfrontiert ihn mit einer Übermalung. Die Fronten zwischen Grafischem und Malerischem brechen so auf, verwischen sich. Bei den Bildhintergründen ergibt sich eine Verbindung zwischen der Welt der Werbegrafik mit raumlosen, flächigen Farbmustern und der abstrakten Malerei der Klassischen Moderne, die den altmeisterlichen perspektivischen Bildraum durch Farbflächen ersetzen.Wie bei der Pop Art trifft sich Kunst ( in Form des klassischen Bildes für die Wand) mit trivialen populären Motiven, wobei die Gestaltung den "Coolen" Prinzipien der Pop Art durch ihre expressive Form entgegenläuft. Muß man sich heute jedoch noch die Frage nach inhaltlicher Wertigkeit der Motive stellen, die eigentlich eine Frage des 19. Jahrhunderts ist und beispielsweise von einem Maler wie Manet im Grunde überwunden wurde? Die Inhalte seiner Gemälde - für die Zeitgenossen trivial, ja schockierend - verknüpfen sich mit klassischer Komposition und hervorragender Malerei. Genau das ist der Kern, der Zauber und für Manche die Provokation: es geht tatsächlich um Malerei. Und der stärkste malerische Reiz kann manchmal von einer bunten Spielzeugschachtel kommen.