// Künstler:

Annette Reichardt und Stewens Ragone

50/50 - Gemeinschaftsbilder - Tempera auf Leinwand - Annette Reichardt und Stewens Ragone

Papierarbeiten - Annette Reichardt und Stewens Ragone

Radierungen - Annette Reichardt und Stewens Ragone

Annette Reichardt und Stewens Ragone

Ausstellungen

  • 2009 Galerie im Tulla, Mannheim | Galerie Tobias Schrade, Ulm | Kommunale Galerie Berlin-Lichtenberg
  • 2010 Galerie Joachim Fuhrmann, Breckerfeld | Kunsthalle Pertolzhofen | Galerie Lake, Oldenburg
  • 2011 Neuer Kunstverein Aschaffenburg | Galerie Joachim Fuhrmann, Breckerfeld
  • 2012 Galerie Tobias Schrade, Ulm | Museum für verwandte Kunst, Köln I Kreuzkirche, Celle
  • 2013 Museum für verwandte Kunst, Köln | Förderverein Schul- und Bethaus Altlangsow | Q18 Quartier am Hafen, Köln
  • 2014 Kunsthandel Hubertus Hoffschild, Lübeck | Herr Beinlich Contemporary Fine Art Space, Bielefeld
  • 2015 Galerie Lake, Oldenburg | Kunstverein Aurich | Kunstverein Wesseling
  • 2016 Galerie Tobias Schrade, Ulm | Kunstverein Weiden | Kunstverein Unna 
  • 2017 Verein für Gegenwartskunst, Flensburg I Koenraad Bosman Museum, Rees I Otto-Galerie, München I Neuer Kunstverein Aschaffenburg
  • 2018 Kunstverein Wesseling I Galerie im Bürgerhaus Sulzfeld I Kunstverein Erlangen I Kunstverein Osterholz I Hagenring - Galerie Hagen
  • 2019 Galerie vorn und oben, Eupen, Belgien I Galerie 149, Bremerhaven I Galerie im Tulla, Mannheim
  • 2020 Städtische Galerie Wesselin I Galerie Tobias Schrade, Ulm
     

Ausstellungsbeteiligungen (Auswahl)

  • 2009 Kunsthaus Möhnesee | Evangelische Stadtakademie Bochum  
  • 2010 Stellwerk St. Johann, Basel
  • 2011 Kunstverein GRAZ, Regensburg | Alte Feuerwache, Berlin-Friedrichshain 
  • 2012 Kornhäuschen, Aschaffenburg
  • 2013 Goethe-Institut Accra, Ghana
  • 2015 Kulturbahnhof Nettersheim | 10. Kunstpreis Wesseling
  • 2016 59Rivoli, Paris | Galerie Dorothea Schrade, Diepoldshofen
  • 2017 Kunstverein Familie Montez, Frankfurt am Main | Künstlerforum Remagen 
  • 2018 Kunstverein Unna | Kunstverein Gelsenkirchen
  • 2019 Galerie Martin Kudlek, Köln
  • 2020 Kulturkirche Liebfrauen, Duisburg
Annette Reichardt und Stewens Ragone

Annette Reichardt

1962 Geboren in Peine
1985/86 Auslandaufenthalt in Hongkong
1987 Auslandsaufenthalt in Peru
1987-95 Studium freie Kunst , HbK Braunschweig bei
Prof. Johannes Brus, Prof. H.P. Zimmer, Prof. Thomas Virnich
1990 Auslandsaufenthalt in Neuseeland
1995 Diplom für freie Kunst
1996/98 Künstlerische Leitung der Glaswerkstatt der HbK Braunschweig
seit 2005 im Projekt „fifty-fifty“ Gemeinschaftsarbeiten
mit dem Maler Stewens Ragone
Annette Reichardt lebt und arbeitet in Köln 

 

Stewens Ragone

1960 in Ilsede/Niedersachsen geboren
1983-1989 Studium an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig bei
H.P. Zimmer, L. von Monkiewitsch
1989 Meisterschüler bei H.P. Zimmer
2002 Stipendium der Künstlerhäuser Worpswede
2003 Artist in residence vom Kunstverein Aschaffenburg; Katalogförderung der
IG Metall; Artist in residence beim Kunstverein Aschaffenburg
seit 2001 im Projekt „DOPPELPOP“ Gemeinschaftsarbeiten mit dem Bildhauer Michael Denkler
seit 2005 im Projekt „fifty-fifty“ Gemeinschaftsarbeiten
mit der Malerin Annette Reichardt
Stewens Ragone lebt und arbeitet in Köln

Annette Reichardt und Stewens Ragone - Gemeinschaftsbilder

Steffen Simon, Sportjournalist, über die Gemeinschaftsarbeiten von Stewens Ragone und Annette Reichardt

Die Bilder von Annette Reichardt und Stewens Ragone sind keine schüchternen Mauerblümchen, die man dekorativ zwischen Hutablage und Kleiderbügel hängt. Diese Werke wollen Platz, sie sind selbstbewusste Kraftprotze, die mal polternd, mal schmeichelnd, auch mal zurückhaltend, aber fast immer mit Humor, Spaß und Leidenschaft daherkommen, die klar ansagen: „Schau her, ich bin ein Stück Kunst, ich werde Deine Sichtweise verändern“. Es treffen Dimensionen aufeinander, Raum, Zeit, soziale Aspekte und historische Bezüge. Die Arbeiten sind genauso konkret wie abstrakt, sie scheren sich einen Dreck um Konventionen und erlernte Sichtweisen, sie lassen ein Paralleluniversum entstehen. Motiv und Hintergrund sind zwei autonome Welten, gemeinsam ergeben sie eine neue dritte. Dies gibt uns als Betrachter immer etwas Konkretes, aber gleichzeitig auch Subtiles, das sich in unser Unterbewusstsein schleicht. Was wir daraus machen, ist uns überlassen.
 

Die Welt kann so einfach sein 

Ina Bruchlos, Malerin und Schriftstellerin aus Hamburg

Bilder, die man versteht sind in der Regel nicht ganz so gut. Sie heißen: Weltuntergang oder Tsunami und man sieht einen Weltuntergang oder einen Tsunami. Hab ich verstanden, denke ich gelangweilt und frage mich, warum Künstler denken, sie könnten mir die Welt er- klären, wo ich sie doch bin, es sind letzten Endes auch keine Künstler, die das tun, auch wenn sie das glauben und sich verkannt fühlen, wo man sie gar nicht verkennen kann, wenn sie Tsunami neben das Bild schreiben. Lesen können wir alle. Ich denke an zwei Künstler, die zusammen arbeiten, was sie früher nicht taten. Nachdem ich die frühere Phase kannte, dachte ich natürlich sofort, ich erkenne sie in den Bildern wieder, der malerische Hintergrund oder das konkrete Motiv, Ragone dachte ich, aber Reichardt lächelt. Ganz so einfach war es eben doch nicht. Wo man gerade dachte, es handle sich um sehr einfache Bilder, wo man die Motive erkennen konnte, ganz leicht und dass das ja überhaupt die besten Bilder waren, bei denen man dachte: einfach – und nur die Seltsamen denken: Das kann meine kleine Tochter auch. Man dachte: einfach, ein Mann mit einem Gänseblümchenbart. Die Seltsamen denken: Na und? Dieses Bild hatte es mir besonders angetan: Ein Hipster mit Sonnenbrille und Gänseblümchenbart. Ich selbst habe einmal Gertrude Stein mit Hipsterbart gemalt, auch schön, aber die Gänseblümchen sind besser. Schade, dachte ich, dass mir damals die Blümchen nicht einfielen, und wa- rum dachte ich, fallen sie einem Typen wie Stewens ein, den man äußerlich nie mit diesem unsinnigen Motiv in Verbindung brächte, der etwas Seriöses ausstrahlt, ein Mann mit einem Beruf, ein Mann mit einer Aufgabe und nicht ein Mann mit Blümchen im Kopf, und ach, dachte ich, sind sie am Ende gar nicht von Stewens, sondern von Annette, die aber auch nicht nach Blümchen und Donalds mit Schubkarren aussieht. Aber wie sieht sie aus? Die Welt: Ein Rätsel. Zwei Künstler, dachte ich und schön, dass es so etwas noch gibt. Ich werde Tsunami neben sie schreiben. Der Witz an den einfachen Bildern ist jedenfalls die Tatsache, dass jeder meint, sie malen zu können: Die Ente, die draußen bleiben muss, ein Strickpüppchen in einer marsartigen Landschaft oder einfach ein Kind, das auf einem Krokodil reitet. Kann ich auch, rufen die Seltsamen, nur wir schütteln den Kopf. Es ist ja ohnehin seltsam, dass Menschen meinen, das zu können, was sie im Grunde verachten. Nie kämen sie auf die Idee, Rembrandt malen zu können, Vermeer oder van Gogh. Sie können immer nur das, was ihnen einfach und zu können überhaupt nicht erstrebenswert erscheint. Viel lieber könnten sie Friedrich und könnten doch nur Ragone oder Reichardt, denken sie, und liegen damit richtig daneben. Ich betrachte weiter den Hipster mit seinem Gänseblümchenbart und habe nicht die leiseste Ahnung, wer von beiden was von vielem gemalt hat. Ich betrachte das Bild und sehe nichts anderes. Schön ist es, wenn sich das Ego auflöst, als habe das Bild sich selbst gemalt. Schön ist es, wenn ich nicht weiß wer und warum wer das Warum gemalt hat. Es wäre langweilig, es zu wissen. Kein Mensch versteht, warum ein Kind auf einem Krokodil reitet. Der Titel hilft nicht, und auch wenn man denkt Titel helfen, helfen sie bei den guten Bildern nie. Friedrich nannte sein Bild Dresden und hat es doch nicht gemalt. Erst mal seh`n, was Quelle hat, heißt ein Bild aus der rheinländischen Malmanufaktur, und ich ahne, dass die Frau mit dem Fernglas den Horizont nicht nach verschollenen Kaufhäusern absucht. Schöne Bilder sind schwierig. Schöne Bilder sehen einfach aus. Schöne Bilder täuschen. Schönheit verwirrt und das Schöne daran ist das Schöne darin. Die Welt kann so einfach sein, denke ich, und ist es nie. 

 

IM UNERNST EINIG

 
Dirk Tölke über Annette Reichardt & Stewens Ragone – one man band – in der Galerie vorn und oben, Eupen
 
Annette Reichardt & Stewens Ragone malen seit 2005 ihre Bilder zusammen, sind aber schon vorher eigenständige malerische Wege gegangen. Man argwöhnt schnell, dass von zwei Künstlern einer dominiert oder dirigiert und ein Machtkampf um jeden Pinselstrich entbrennt. Das ist nicht der Fall. Auch durch vier Hände kann Malerei aus einer Hand entstehen. Zuarbeit und Zusammenarbeit ist im Film (Nennungen im Abspann) oder bei Musikgruppen völlig selbstverständlich und auch in der Kunst (Rubens, Rembrandt und Künstlerpaare) lange geübt, aber nicht gewöhnlich. Im Prozess des Malens, den sonst Einzelne vollziehen, klären sich Farben, Setzungen, Löschungen, Einfügungen und muss Sprungmut und Freiheit im Kopf entwickelt werden, um notwendig radikal zu neuen Bildern und spannenden Lösungen zu kommen, die weiterbringen, u.a., weil man Fehler und Zufälle als Möglichkeiten und Präzisierungen einschätzt und dabei Neues findet. Erfahrung führt nämlich zunehmend zu ähnlichen Lösungswegen. Das verhindert ein Malpartner, der aus
seiner Erfahrung zu anderen Farben, Formgebungen, Eingriffen, Spannungen und Harmonisierungen neigt. Zwei verbessern gemeinsam mehr an einem Bild, als einer für sich. Dafür ist Kommunikation, Vertrauen und Toleranz unbedingt nötig und gemeinsames Generationsempfinden hilfreich, damit diese symbiotische Spannung bestehen kann. Geschlechterdominanz ist in der Generation der Anfang der 1960er geborenen Künstler auch nicht mehr gegeben, die zudem die Themenwelt ihrer Bilder aus den 30er–70er Jahren und frühe Fernseherfahrungen aus dem Eigen- und Elternleben kennt und zwischen Apo und Punk, Monthy Python und Blödelbarden, kaltem Krieg und Bürgerbewegungen unverbissen einen eigenen humorvoll kritischen, aber unideologischen Weg begonnen hat. Die Duldsamkeit gegenüber dem Malpartner verbindet sich mit einer Unduldsamkeit gegenüber der Realität. Die Bildwelt von Reichardt und Ragone streift Klischees, hat gallige Qualitäten, befasst sich mit der täglichen Absurdität des Bildhaften, der Gleichzeitigkeit von allem, von Cyberspace, Maskottchen, Touristentrash und Gartenzwerg. Bis zur Niedlichkeitsapotheose karikieren sie die gewollte Natürlichkeit von posendem Verhalten oder Gefühlsduselei und brechen die Erwartungen an Inhalte von Kunst, in der solcherlei Elemente nicht alltäglich sind, wie jedoch in Wirklichkeit, wo wir auch unsere Kinder gemütsmäßig mit den seltsamsten Wesen konfrontieren. Mancher Betrachter bevorzugt eine saubere Trennung von Ernst und Unernst, von Geklärtem und Ungeklärtem. Dass in den Bildern von Reichardt und Ragone beides gleichzeitig auftaucht, zeigt ihre Offenheit für eine Welt, in der Widersprüchlichkeit der Normalzustand ist. Insofern ist das höchst zeitgemäß, verweist auf ein selten bearbeitetes Stück Wirklichkeit und macht auch noch Spaß. Darf Kunst witzig sein oder unterläuft das den Anspruch an Ewigkeit und Bedeutsamkeit? Das muss eben kein Widerspruch sein und auch nicht flüchtig, schließlich gibt es klassische Karikaturen. Dennoch ist diese Leichtigkeit noch immer eine Provokation, die nicht in der abgesegneten, wenn auch unerwünschten Tradition von kritischem Bewusstsein steht. Leicht ist diese Art von Malerei allerdings nicht, denn sie ist malerisch und handwerklich auf hohem Niveau; wie heute üblich, irgendwo zwischen Abstraktion und Figuration. Zunächst bearbeiten beide die Hintergründe, mal zusammen, mal alleine, nicht als Arbeitsteilung von Vorder- und Hintergrund. Die informell abstrakten Hintergründe verarbeiten alle Formwelten und Floskeln der Moderne und der Abstraktion, haben eher gelegentlich einen bühnenhaften oder landschaftlichen Raumaufbau, ähneln aber nicht Surrealem (Dalis Stränden oder Ernsts Gebirgshorizonten). Die Untergründe sollen farblich und formal für sich interessant genug sein und Bestand haben können. Alsdann werden aus einem Fundus passende Bildelemente gesucht und farblich und in der Größe an die Leinwandgegebenheiten angepasst und nicht nur eins zu eins collagierend übernommen. Der Fundus enthält nostalgisch wirkende Bilder (der 30–70er Jahre) aus Presse, Film und Fernsehen, die vorausgewählt unter 1 % der gesichteten Materialien bleiben. Natürlich gibt es auch Rückwirkungen mit dem Hintergrund, der durchaus eine eigene Raumtiefe für sich in Anspruch nimmt und doch wie eine Folie nicht organisch mit den Figurationen verbunden ist. Leicht magrittig lebt auch diese Malerei vom Widerspruch der Formen, vom Schalk der Pseudonatürlichkeit, vom Bild- und Titelwitz, vom gut gemachten Befremden, von heiterer Bedeutsamkeitsvernichtung zu Gunsten des Malerischen.